Nach der Norddeutschen ist vor der Deutschen Meisterschaft


Wie so viele für das erste Halbjahr 2020 geplante Veranstaltungen war auch die Bremer Jugend-Einzelmeisterschaft ein Opfer des Virus geworden.

Die Deutsche Schachjugend aber hat mittlerweile erfreulicherweise beschlossen, die Deutschen Meisterschaften im Oktober nachzuholen. Also nahmen insgesamt fünf Varreler den mühsamen Weg durch die Qualifikation auf sich und versuchten, das Ticket für Willingen 2020 zu lösen.

Als Ausrichter hatte Werder Bremen das auf zwei Tage verkürzte Turnier gut im Griff. Der Abteilungsleiter höchstpersönlich desinfizierte die Bretter, die Jugendwartin verteilte Süßigkeiten – so etwas gibt es in Varrel nicht.

Werder wünscht uns viel Erfolg. Das ist nett und hat offenbar geholfen.


Und noch etwas war anders dieses Jahr: Das Turnier wurde diesmal im K.O.-Modus ausgetragen, wobei pro Runde jeweils zwei Partien ausgetragen wurden und im Falle eines Gleichstands ein Tiebreak entscheiden musste.

In der U14 hatten wir natürlich auf ein Varreler Finale gehofft, Max gegen Tom. Doch Toms Gegner am Samstag, Alexander Wildt aus Bremerhaven, erwies sich als die erwartet harte Nuss. Eine gut geführte Schwarzpartie mit Angriff am Königsflügel hatte Tom zunächst die Führung beschert, doch mit Weiß misslang bereits die Eröffnung. Ausgleich, 1:1. Nun musste Schnellschach gespielt werden. Tom geriet zunächst in Rückstand, schlug in Partie Nummer 4 aber zurück. 2:2. Abermals wurde die Bedenkzeit verkürzt auf nunmehr 3 Minuten + 2 Sekunden pro Zug. Und diese Bedenkzeit erwies sich für Tom, der im Blitz kaum Erfahrung besitzt, als zu kurz. Beide Partien gingen verloren, das Aus im Halbfinale. Knapper hätte es kaum sein können.

Doch auch nach diesem langen Tag war die Arbeit noch nicht getan: Tom schickte sogleich seine Partien an Max, der sich auf seinen kommenden Gegner und dessen Eröffnungen vorzubereiten begann. Auch so sieht Teamwork aus.

In der ersten Partie am Sonntag schien Max bereits in der Eröffnung dem Gewinn nahe. Doch trotz Mehrbauer war die Lage alles andere als einfach, es folgte die mit Abstand längste Partie der Runde, ehe die Führung unter Dach und Fach war. Und dass sein Gegner besser spielt als seine Wertungszahl, erlebte Max auch mit Schwarz, als er durchaus einige Zeit unter Druck stand, abermals die längste Partie spielen musste, ehe ein Springergewinn die Partie jäh beendete.

Ein Jahr Arbeit für diesen Tag: Am Ende stand für Max die Qualifikation zur Deutschen Einzelmeisterschaft 2020.


Damit hat Max es das vierte Jahr in Folge auf die Deutsche Meisterschaft geschafft. Hoffen wir, dass alle gesund bleiben und das Turnier stattfinden kann. Und dann lassen wir uns überraschen, was in Willingen möglich ist. Die Pflicht ist erfüllt, das selbstgesteckte Ziel erreicht. Nun folgt die Kür.

Ganz knapp an der Qualifikation gescheitert ist Justus Lumma, seit Sommer 2020 Mitglied des TuS Varrel, in der U10. Ein souveräner 2:0-Sieg am Samstag war die Eintrittskarte für das Finale am Sonntag, wo mit Elmir Gulamzada von Werder Bremen ein etwa 100 DWZ-Punkte stärkerer Gegner wartete. Die Qualifikation war somit schwierig, aber auf jeden Fall möglich.

Da wir das Gambit des Gegners erwartet hatten, konnte Justus in der Schwarzpartie ohne Probleme und zügig ausgleichen. Vermutlich stand er nach knapp 20 Zügen mit einem Mehrbauern sogar leicht besser, obwohl Weiß in dieser Variante durchaus über ein wenig Kompensation verfügen sollte. Doch Elmir zeigte nun seine Klasse, gewann Bauern um Bauern, bis er ein Turmendspiel mit 5 gegen 3 erreicht hatte. Dieses hielt Justus ganz knapp und auch mit ein bisschen Glück aber Remis, so dass die folgende Weißpartie über die Qualifikation entscheiden musste.

Hier zeigte Justus zunächst seine Qualitäten im Angriff, überspielte den Schwarzen, dessen König in der Mitte geblieben war, und hatte bereits nach elf Zügen einen ganzen Springer mehr. Etwas unnötig gab Justus die Mehrfigur wieder her, wickelte aber in ein Bauernendspiel mit 5 gegen 4 ab. Für Profis sicher kein Problem, unserem Jüngsten fehlte hier im Endspiel aber einfach noch die Erfahrung. Zu spät liefen die Bauern, zu oft zog der König hin und her, am Ende war es Elmir, der zuerst eine Dame erhielt. Extrem bitter, über eineinhalb Partien so viel richtig gemacht zu haben und am Ende doch mit leeren Händen da zu stehen.
Aber Jutsus ist jung, er wird daraus lernen, Endspiele trainieren (versprochen!), und im kommenden Jahr einen neuen Anlauf unternehmen.

Die beste Zeit verlebte Justus bei Werder gegen einen Werderaner nicht unbedingt. Aber das konnte der Autor dieses Wandgemäldes wohl nicht voraussehen.

Die anderen beiden Varreler versuchten ihr Glück in der U12. Ben Weidenhöfer war als Sechster der Setzliste nicht unbedingt als Favorit ins Rennen gegangen. Dem Delmenhorster Nikita Hubert lieferte er einen guten Kampf, musste aber schließlich die Überlegenheit des Gegners anerkennen. In der zweiten Partie bot Nikita, der einen Bauern mehr auf dem Brett hatte, im Wissen, dass ein halber Zähler zum Weiterkommen reichte, Remis an. Ben hätte eine Verluststellung auf Gewinn spielen müssen und entschied sich, lieber anzunehmen.

In diesem Jahr wäre die Qualifikation sicherlich eine riesige Überraschung gewesen, nächstes Jahr gehört er zum älteren Jahrgang in der U12, dann startet auch er einen neuen Anlauf.
Als Topgesetzter der U12-Konkurrenz ging Timurs Bondarcuks ins Rennen. Der Bremerhavener hat bislang mit Erfolgen im Schulschach und auf Einzelturnieren auf sich aufmerksam gemacht. Doch wer auf die Deutsche Meisterschaft möchte, muss Mitglied in einem Verein sein. So trat Timurs kurzerhand dem TuS Varrel bei und erreichte auf Anhieb sein Ziel. Ein hart erkämpftes 2:0 am Samstag, dann das Finale am Sonntag gegen Leon Klimanov, ebenfalls aus Bremerhaven. Wieder wurde einiges an Drama geboten, nachdem Timurs die Weißpartie verloren hatte, stand er unter Druck. Mit Schwarz hatte er ein leicht besseres Endspiel erreicht, profitierte schließlich davon, dass sein Kontrahent die en-passant-Regel nicht so hundertprozentig kannte, und glich aus. Also Schnellschach. Zunächst mit Schwarz, hatte Timurs wieder Probleme, rettete sich aber trotz Minusbauern ins Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern. Remis. In Partie Nummer 4 konnte er dann seine Erfahrung endlich in gewohnter Manier ausspielen und einen nie gefährdeten Sieg einfahren. Insgesamt war dieses Match aber äußerst knapp und hätte gut und gerne auch einen anderen Sieger sehen können. Entsprechend war Timurs unmittelbar nach Matchende auch voll des Lobes für seinen Gegner. Und nun darf er sich auf seine erste Deutsche Meisterschaft freuen.

Und wir drücken beiden Jungen in Willingen die Daumen!

Norddeutsche Meisterschaft in Magdeburg – der TuS Varrel ist dabei!
Jahreshauptversammlung am 20.10.